Im Januar standen die fachlichen Hintergründe der Simulationsinhalte auf dem Programm. Hierzu setzte die Podiumsdiskussion bereits einen inhaltlichen Rahmen, der am Folgetag mit den Projektteilnehmer*innen weiter ausgefüllt wurde.

Am Vormittag wurden in Kleingruppen die (juristischen) Voraussetzungen der Genehmigung einer Windenergieanlage erarbeitet: Dabei setzte sich eine Gruppe zunächst zusammen mit der juristischen Projektverantwortlichen Franziska Berg mit der Frage auseinander, ob ein Windkraftrad überhaupt einer Genehmigung bedarf (Genehmigungsbedürftigkeit) und zeichnete anhand des § 10 Bundes-Immissionsschutzgesetz die Schritte des Genehmigungsverfahrens nach. Eine andere Gruppe widmete sich gemeinsam mit Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger der Thematik, ob die Genehmigung dann auch zu erteilen ist (Genehmigungsfähigkeit). Die Teilnehmenden schlugen – getreu dem juristischen Motto „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“ – das Grundgesetz auf und fanden auch einige in Ausgleich zu bringenden Interessen. Beispielsweise stehen sich beim Windkraftausbau häufig die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der Anwohnerin mit der Eigentums- und/oder Berufsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1 GG) des Windenergieanlagenbetreibers gegenüber. Zugleich muss der Staat die Sicherheit der Stromversorgung gewährleisten und das Staatsziel Klimaschutz (Art. 20a GG) verfolgen.

Im Anschluss referierte Olaf Fiesel vom Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern über das dortige Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz. Das Gesetz, welches im vergangenen Jahr vom Bundesverfassungsgericht für (weitgehend) verfassungskonform erklärt wurde, verpflichtet Windparkbetreiber, Bürger*innen und Gemeinden an den wirtschaftlichen Erfolgen des Windparks zu beteiligen. Dies kann durch direkte Anteile geschehen oder beispielsweise auch durch vergünstigte Stromtarife. Dadurch soll die Akzeptanz der erneuerbaren Energien direkt vor Ort gesteigert werden.

Weiterer Diskussionspartner war Frederik Eggers, Teamleiter beim Naturschutzbund Niedersachen (NABU) für den Bereich Natur- und Umweltschutz. Er stellte den Teilnehmer*innen die Neuregelungen zum Artenschutz beim Windenergieausbau vor. Herr Eggers lobte dabei zwar die Anstrengungen für den Klimaschutz, verwies aber auf Defizite im Artenschutz. Während der Klimaschutz zwar wichtig für die Umstände unseres Lebens sei, sei der Artenschutz für die Existenz von Leben überhaupt von Bedeutung und dürfe deshalb nicht vernachlässigt werden.

Der Fokus liege momentan sehr stark auf dem Ausbau erneuerbarer Energien (technischer Klimaschutz) und es werde zu wenig Augenmerk auf Belange des natürlichen Klimaschutzes, wie der Renaturierung von Mooren, gelegt. Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes führe zu einer Absenkung des Artenschutzstandards, was nicht mit Europarecht vereinbar sei. Technischer Klimaschutz, natürlicher Klimaschutz und Artenschutz schlössen sich nicht aus, sondern müssten als Gesamtkonzept in den Blick genommen werden.

Auch beim anschließenden Mittagessen ließen es sich die Teilnehmenden nicht nehmen, mit den Gästen weitere Aspekte von Klima- und Artenschutz zu beleuchten sowie eigene Ideen zu diskutieren.

Am Samstagnachmittag wurden unsere Teilnehmenden in die Arbeit des Rates der EU eingeführt. Ein besonderes Augenmerk lag auf den Verhandlungen innerhalb der Institution. Gemeinsam mit Prof. Dr. Simon Fink analysierten die Teilnehmenden verschiedene Verhandlungstaktiken. Dabei sichteten sie Videomaterial realer Verhandlungssituationen des Europäischen Rates (nicht des Rates der EU), welches durch ein journalistisches Projekt entstand. Der ehemalige dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen hatte sich im Jahr 2002 anlässlich der Ratspräsidentschaft seines Landes verkabeln lassen und begleitete die damaligen Verhandlungen zur EU-Osterweiterung mit versteckter Kamera.

Eine Szene zeigte den französischen Präsidenten Jacques Chirac, wie er die Kürzung von Agrarsubventionen ablehnte. Dabei argumentierte er gegenüber anderen Politikern damit, dass seine Bauern bei einer Kürzung auf die Barrikaden gehen würden. Dieses Verweisen auf Fallstricke, welche man selbst nicht unter Kontrolle hat, erkannten die Teilnehmenden richtig als paradox of weakness. Eine andere Szene wirft die Frage nach den Nutznießern von Zeitdruck bei Verhandlungen auf. Gerhard Schröder, damals deutscher Bundeskanzler, verplapperte sich wohl unter seinen Kollegen. Nun wussten die übrigen Staats- und Regierungschefs, dass er am Wochenende mit seiner Frau zum Shoppen nach London fliegen möchte, was seine Verhandlungsposition schwächte. Wiederum ein anderes Mal probierte der dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen durch geschickte Koalitionsbildung unter den Staaten, eine Ablehnung der polnischen Forderung nach Fördergeldern – Polen war damals noch kein EU-Mitgliedstaat – zu erreichen.

Im Anschluss an die Diskussion zu den verschiedenen Verhandlungstechniken fanden sich die Teilnehmenden in vier Gruppen zusammen. In diesen erarbeiteten sie Vorschläge zur besseren Informationsbeschaffung für Bürger*innen und zu Mitgestaltungsmöglichkeiten auf EU-Ebene. Nach Beendigung des Brainstormings wandelten die Gruppen umher und präsentierten sich ihre Ergebnisse gegenseitig, dabei reichten die Ergebnisse von einer Direktwahl der EU-Kommission bis zu der selbstreflektierten Annahme als Bürgerin eine informative Holpflicht zu haben.

Die vielen Ideen und Erwartungen wurden anschließend mit schon bestehenden Informationsmöglichkeiten der EU-Institutionen abgeglichen. So präsentierte Prof. Dr. Simon Fink etwa die Website EUR-lex, hier kann die Gesetzgebung der EU nachverfolgt, Positionen und Standpunkte dazu eingesehen werden. Eine Teilnehmerin nannte ebenso die Europäische Bürgerinitiative als eine mögliche Wissensquelle und Beteiligungsplattform. Bei all den genannten Möglichkeiten stellte sich zunehmend die Frage, ob die einzelnen Institutionen der Europäischen Union wirklich intransparent arbeiten oder aber die EU-Bürgerinnen und -Bürger teilweise mit Informationen überflutet werden. Wir freuen uns, die Diskussion über diese Punkte mit Ihnen während unserer nächsten Veranstaltung im Februar zu vertiefen!

Anschließend an dieses theoriebasierte Verhandlungstraining sprachen die Teilnehmenden via Zoom mit Alexandra Marten von der Europäischen Kommission. Sie begleitet in der Generaldirektion Klimapolitik die Verhandlungen zur Effort-Sharing-Verordnung. Zuerst schilderte Frau Marten den Ablauf der Verhandlungen in der Praxis. Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen. Hierbei wurde zum Beispiel über die Position kleinerer Staaten in den Verhandlungen zur Effort-Sharing-Verordnung diskutiert.

Der einsetzende Schneefall bei Anbruch der Dämmerung markierte unser Veranstaltungsende. Das Team „Politik und Recht erleben“ ist schon gespannt, wie die Teilnehmer*innen ihr gewonnenes Wissen zu Verhandlungstechniken im Rahmen der europäischen Klimapolitik im Februar nutzen, wenn sie in die Rollen der Umweltminister*innen der EU-Mitgliedstaaten schlüpfen.